Von Karl Valentin stammt der schöne Satz: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Insofern freuen wir uns, festhalten zu dürfen: Brafus2014 ist Kunst. Denn es macht viel Arbeit.
Wir wollen uns natürlich nicht beschweren. Wir machen hier etwas, wovon man sein Leben lang träumt: Wir laufen durch die Straßen, saugen die Atmosphäre der Stadt auch dann in uns auf, wenn sie so laut ist und stinkt wie in der Megapolis São Paulo, und stoßen so in Welten vor, von denen wir nicht wussten, dass sie existieren. Das Treffen mit Wladimir Ribeiro Brito zum Beispiel kam so zustande: An einem Vormittag waren wir auf der Suche nach einem Shop, der uns eine Prepaid-Karte fürs Handy verkaufen sollte (was nicht einfach war). Auf unseren Irrwegen kamen wir an den Bannern von MSTS vorbei. Von der “Movimento Sem Teto de São Paulo” hatten wir im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten gelesen. Weil wir uns vorgenommen haben, auf unserer Reise überall dort zu klingeln, wo wir Geschichten vermuten, sind wir zur ersten Tür spaziert und wurden zur zweiten geschickt. Dort mussten wir zunächst einen Türsteher überzeugen, uns durchzulassen, und wurden zum Anwalt der Bewegung verwiesen, der sich anhörte, warum wir gekommen waren. Nach einem viertelstündigen Gespräch bat er uns, am nächsten Tag wiederzukommen. Und dann standen wir mit Wladimir in diesem riesigen Kinosaal, der einen nicht nur seiner Größe wegen beeindruckt, sondern auch, weil in diesem Raum alles zusammenkommt, was das Brasilien des Jahres 2014 ausmacht.
Das ist die Kunst.
Arbeit wird es, wenn man an einem Sonntag bis nachts um drei an den Computern sitzt, um den Beitrag zu produzieren. Und es sich herausstellt, dass Wladimir so viel erzählt hat, dass man ihm vier Beiträge widmen könnte und immer noch das Gefühl hätte, all dem nicht gerecht zu werden, was er der Welt mitteilen möchte. Doch das ist noch gar nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, wenn man am nächsten Morgen verschläft, zu spät zu einer Verabredung im Universitätskrankenhaus von São Paulo kommt (was in Brasilien kein Problem ist, weil man seine Verspätung im Zweifel immer auf die Verkehrsverhältnisse schieben kann) und wegen dieser Verzögerung im Programmablauf prompt das erste Spiel der Deutschen in einem Burger-Laden gucken muss mit einem Desinteresse der Brasilianer, das einen natürlich zweifeln lassen muss an der Gastfreundschaft, die wir seit unserer Ankunft hier erlebt haben. Nicht einmal den Ton ließen sie laufen.
Wenn man allerdings sieht, was auf unserer Seite los ist, dass wir nicht einmal mehr zehn Unterstützer von der ersten 100 entfernt sind, wenn man Beiträge liest wie diesen von Tobias Weckenbrock im Blog der Ruhr-Nachrichten, wenn man also mitbekommt, dass die Kunst, die wir hier zu machen versuchen, immer mehr Freunde findet, dann schweigt man in Demut und erinnert sich an ein weiteres Zitat von Karl Valentin: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.” Und das, wo in São Paulo die Sonne scheint.
Insofern: Hier wird nicht gejammert, hier wird weitergebloggt. Weil wir in den kommenden Tagen aber an Orten übernachten, wo wir nicht genau wissen, wie oft wir dort ins Netz kommen werden, kann es sein, dass wir um etwas Geduld bitten müssen, bis wir wieder bis nachts um drei vor unseren Computern sitzen und Kunst machen.