Als Kind war die Beschaffung von Essen ihr zentraler Lebensinhalt. Heute ist es die Zubereitung. Das Kochen liegt in ihrer Familie. Auch ihre Mutter und ihre Tante arbeiten in der Küche. Bereits mit sieben Jahren spült sie Teller in einem Restaurant. Manchmal gibt es unangekündigte Kontrollen. Dann wird Silvana in einem großen Suppentopf oder unter der Kasse versteckt. Sie habe nicht verstanden, warum sie so schnell habe verschwinden müssen, aber es sei aufregend gewesen, sagt sie. Mit 15 verlässt Silvana das Restaurant und arbeitet als Hausangestellte für Familien. Die Küche nimmt ihr die Kindheit.
Inzwischen arbeitet die 40-Jährige als Chefköchin in dem gemeinnützigen Verein „Monte Azul“. Es macht sie glücklich, wenn sie Menschen, die Hunger haben, Essen geben kann und es ist ihr größter Lohn, wenn ein Kind kommt und sagt: „Tante, das Essen war sehr gut“. Obwohl alles, was mit Essen zu tun hat, für sie früher mit Trauer, Enttäuschung und Schmerz verbunden war, erlebt sie ihre Arbeit als großes Glück:
In Momenten wie diesen kommen die alten Gefühle wieder hoch. Nie wieder wollte Silvana ihr Essen auf der Straße suchen. Aber zwei Jahre nach der Hochzeit mit Luiz wird er arbeitslos und sie zieht noch einmal los, um Essen zu sammeln. Sie tut das, damit ihre Kinder nicht erleben müssen, was sie durchgemacht hat. Als sie größer werden und ihren eigenen Raum brauchen, arbeitet sie auch hochschwanger noch Tag und Nacht, um die Bauarbeiten für das Haus bezahlen zu können. Tagsüber kocht sie und nachts backt sie Brot, um es auf dem Markt verkaufen zu können. Das alles habe sie geschafft wegen ihres Glaubens, sagt sie. Sie geht viel in die Kirche. Gerade wenn es ihr schlecht gehe, überkomme sie eine besondere Kraft, die sie für die Familie einsetze. Denn Luiz und die Kinder seien alles für sie. „Nichts von dem, was ich heute habe, würde mich interessieren, wenn ich sie nicht hätte.“
Silvana hat gelernt, das Leid, das sie empfunden hat, in Schaffenskraft zu verwandeln. Sie kichert, wenn sie von ihren bis heute nicht gemachten Haaren spricht, und amüsiert sich darüber, dass ein Dieb sie vor lauter Mitleid warnt, sich nicht ausrauben zu lassen. Und doch gibt es Momente, in denen sich ein tiefer Schmerz offenbart, den sie bis heute nicht überwunden hat. Sie ist nie zur Schule gegangen und kann heute noch nicht lesen und schreiben:
Selbst wenn sie sich manche Träume nicht erfüllen konnte: Silvana sieht sich als Gewinnerin. Sie führt heute ein zufriedenes Leben und ist dankbar für jeden kleinen Schritt, den sie erreicht. „Wir hatten viele Möglichkeiten, etwas zu werden, was wir nicht hätten sein sollen.“ Wenn sie morgens das Frühstück zubereitet, „Aufwachen!“ durchs Haus ruft und sieht, wie ihre ganze Familie am Tisch zusammenkommt, beginnt für Silvana ein glücklicher Tag. Doch ihr Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Für das Haus musste sie einen Kredit aufnehmen. Und sie wünscht sich, dass immer ein Kuchen und eine Kanne Saft auf dem Tisch stehen. Sie glaubt fest daran, aber das gehe nur, wenn alle gemeinsam daran arbeiten.
Wenn Brasilien am Samstag das nächste Mal spielt, wird es im Haus von Silvana wieder laut werden. Die ganze Welt blickt dann auf ihr Land. Doch sie hat nicht das Gefühl, dass das Brasilien, in dem sie lebt, in die Welt getragen wird. Nicht jetzt und auch nicht, wenn all die Gäste, die im Moment da sind, das Land wieder verlassen haben werden: